Merkmale hochbegabter Kinder erkennen

Auch wenn es vielen nicht plausibel erscheint – Merkmale hochbegabter Kinder kann man auch ohne Intelligenztest erkennen. Dies gelingt durch eine gute Beobachten des Verhaltens des Kindes in allen Umgebungen und durch Kenntnis typischer Verhaltensmerkmale, wie wir sie hier zusammenfassen wollen.

Wann spricht man von Hochbegabung?

Von Hochbegabung spricht man, wenn der Intelligenzquotient einer Person über 130 liegt. Dieser wird von spezialisierten PsychologInnen anhand von standardisierten Intelligenztests ermittelt. Etwa 2 Prozent der Bevölkerung werden als hochbegabt eingestuft.

Wann spricht man von überdurchschnittlich intelligent?

Menschen mit einem IQ zwischen 115 und 130 werden als überdurchschnittlich begabt betrachtet. Etwa 15 Prozent der Bevölkerung gelten als überdurchschnittlich intelligent.

Was wird in den standardisierten Intelligenztests gemessen?

Die kognitive Leistungsfähigkeit des Kindes in verschiedenen Bereichen wie sprachliche Fähigkeiten, logisches Denken, räumliches Denken und mathematische Fähigkeiten.

Warum spricht man in Österreich von Begabtenförderung und nicht von Hochbegabtenförderung?

In Österreich wird oft von Begabtenförderung gesprochen, anstatt ausschließlich von Hochbegabtenförderung, weil der Fokus nicht nur auf Kindern liegt, die einen sehr hohen Intelligenzquotienten haben, sondern auf einer breiteren Palette von Begabungen und Talenten. Diese Herangehensweise betont, dass Begabung nicht nur auf intellektuelle Fähigkeiten beschränkt ist, sondern auch künstlerische, musikalische, sportliche oder soziale Begabungen umfassen kann.

Wie verhalten sich hochbegabte Kinder? Welche Merkmale kann man erkennen?

Kurz gesagt: entwickeln hochbegabte Kinder oftmals frühzeitig Sprachfertigkeiten, formen rasch vollständige Sätze und erwerben innerhalb kurzer Zeit einen umfangreichen Wortschatz. Sie zeigen ein ausgeprägtes Interesse an seiner Umgebung, besitzen eine bemerkenswerte Fähigkeit, sich Dinge einzuprägen, und verfügen meist über eine hohe Beobachtungsgabe. Des Weiteren zeigen sie bereits im Kleinkindalter hohes Interesse an Zahlen, Buchstaben, Symbolen, Puzzles und Zeichen. Im Kontakt mit Gleichaltrigen fällt schnell auf, dass sie vielfach alters-untypische Interessen ausbilden.

Wie finde ich ohne Intelligenztest heraus, ob mein Kind erhöht intelligent oder möglicherweise hochbegabt ist?

Folgende typische Merkmale sind zu beobachten, wobei nicht alle Merkmale gleich stark ausgeprägt sein müssen:

* Das Kind lernt schon früh sprechen und verfügt über einen großen Wortschatz.
* Das Kind hat einen Entwicklungsvorsprung beispielsweise im Bereich Sprache oder Zahlen, was bedeutet, dass hochbegabte Kinder oft die Babysprache überspringen und sich schon sehr früh, sehr klar und differenziert ausdrücken können.
* Das Kind hat eine schnelle Auffassungsgabe, eine gute Beobachtungsgabe und ein gutes Gedächtnis.
* Das Kind erkennt komplexe Zusammenhänge sehr schnell und lernt gern.
* Das Kind bringt sich bereits im Kindergartenalter selber Lesen, Rechnen oder Schreiben bei.
* Das Kind ist eher an Älteren als an gleichaltrigen Kindern interessiert oder findet das Spiel mit Gleichaltrigen als langweilig. Es sucht verstärkt den Kontakt zur Erzieherin oder Lehrkraft.
* Das Kind hat eine hohe Fantasie und Vorstellungskraft.
* Das Kind verfügt über einen starken Gerechtigkeitssinn und hinterfragt Dinge und/oder Autoritäten.
* Das Kind ist perfektionistisch, hat einen hohen Anspruch an sich und sein Umfeld.
* Es ist sehr kritisch seinen eigenen Leistungen gegenüber, kann aber mit Kritik von außen verhältnismäßig schlecht umgehen und ist schnell beleidigt.
* Das Kind nimmt Reize erhöht wahr (ist hochsensibel): es nimmt Informationen der Außenwelt, aber auch innere Reize (wie Hunger, Gefühle …) sehr intensiv wahr (meist aber un- oder teilbewusst) und verarbeitet diese komplexer – Situationen sind schnell mal zu viel, zu laut oder zu hell.
* Das Kind hat ein hohes Bedürfnis nach Eigenverantwortung, Selbstwirksamkeit und nach Selbstverwirklichung.
* Das Kind vertritt seine Meinungen mit Nachdruck, ist oftmals durchsetzungsstark und hinterfragt selbst direkte Anweisungen von Autoritätspersonen äußerst kritisch.
* Das Kind spielt oder lernt gern für sich und vermeidet Gruppensituationen.
* Das Kind langweilt sich im Kindergarten oder der Schule, stört den Unterricht oder zieht sich einsam zurück. Es ist den Gleichaltrigen kognitiv möglicherweise um 1-3 Jahre voraus und bräuchte differenziertes Angebot.
* Einige hochbegabte Kinder brauchen weniger Schlaf als Gleichaltrige oder sogar weniger als viele Erwachsene.

Können hochbegabte Kinder Lernschwierigkeiten haben, trotz hoher Begabung?

Ja, hochbegabte Kinder können trotz ihrer hohen intellektuellen Begabung Lernschwierigkeiten haben. Eine erhöhte Intelligenz oder Hochbegabung muss daher nicht unbedingt zu schulischen Erfolgen oder guten Notenleistungen führen.

Welche Ursachen gibt es für Lernschwierigkeiten bei hochbegabten Kindern?


1. Unterforderung: Hochbegabte Kinder könnten sich in einem schulischen Umfeld unterfordert fühlen, was oftmals zu Desinteresse und Motivationsproblemen führen kann. Die negative Konsequenz ist, dass sie nicht ihr volles Potenzial ausschöpfen.

2. Perfektionismus: Hochbegabte Kinder sind stark perfektionistisch und setzten sich selbst unnötig hohe Standards, was zu Angst vor Versagen und daraus resultierenden Lernblockaden führen kann.

3. Ungünstiges Lernumfeld: Hochbegabte Kinder denken oftmals schneller und komplexer und sind den Gleichaltrigen vielfach kognitiv voraus. Ein ungünstiges Lernumfeld, das nicht auf diese Bedürfnisse eingeht, führt oft zu Demotivation und Schwierigkeiten beim Lernen.

4. Ungünstige Beurteilungskriterien: In den meisten Schulen wird die mündliche Beteiligung als wichtiges Kriterium für die Bewertung verwendet. Dazu zählen soziale Interaktion, mündliche Mitarbeit, sowie Gruppenarbeit oder Teamprojekte. Introvertierte Kinder äußern sich jedoch weniger verbal und fühlen sich in diesen Situationen großem Druck ausgesetzt. Sie werden daher in diesem Bereich ungerecht oder negativ bewertet, auch wenn sie das Fachwissen besitzen.

5. Spezifische Lernschwierigkeiten: Obwohl hochbegabte Kinder über ein hohes kognitives Potenzial verfügen, können sie dennoch spezifische Lernschwierigkeiten in Bereichen wie Lese-Rechtschreib-Schwäche (Legasthenie), Rechenschwäche (Dyskalkulie) oder Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) haben.

Wie können hochbegabte Kinder gefördert werden? Hier sind 4 Modelle:

* Akzeleration (Beschleunigung): Hiermit ist die vorzeitige Einschulung oder das Überspringen von Klassenstufen gemeint. Ist das Kind im Kindergarten oder der aktuellen Schulstufe stark unterfordert und fällt mit seinem Benehmen negativ auf, ist dies eine gute Option. Berücksichtigt wird dabei die Gesamtentwicklung des Kindes (einschließlich Persönlichkeit, soziale Kompetenzen, Lernstrategien und Motivation), um eine Überforderung in der neuen Situation zu vermeiden.

* Enrichment (Bereicherung): Wohl die einfachste Form der Förderung innerhalb des Klassenverbands. Lehrkräfte vertiefen den Unterrichtsstoff oder ergänzen ihn um weitere Inhalte, um das angeborene schnelle und komplexere Denken hochbegabter Kinder zu stillen. Diese dürfen auf ständige Wiederholungsübungen verzichten, Vorlernen oder Themen komplexer bearbeiten. Das eignet sich besonders für Kinder, die sich in ihrer Klassengemeinschaft wohlfühlen.

* Drehtürmodell: Eine Abwandlung der Akzeleration, bei dem hochbegabte Kinder in manchen Unterrichtsfächern höhere Klassen besuchen (beispielsweise Mathematik oder Englisch) oder neben dem regulären Unterricht an einem zusätzlichen Fach teilnehmen. Möglich ist auch neben einer zweiten Fremdsprache noch eine dritte Sprache zu lernen und den Unterricht jeweils nur zur Hälfte zu besuchen. Das Modell ist geeignet für Kinder, die sich gut organisieren können und über effiziente Lerntechniken verfügen oder einen starken organisatorischen Rückhalt von Eltern oder Lehrkräften erhalten.

*Außerschulische Förderung: Um Unterforderung zu vermeiden, können hochbegabte Kinder ihre Fähigkeiten in Kinderunis, Nachmittagskursen, Begabtenakademien oder Vereinen ausbauen. Kleinere Fördergruppen behandeln Inhalte vertiefend und erweiternd und Förderlehrkräfte gehen individuell auf die Bedürfnisse der Kinder ein. Der Kontakt mit Gleichgesinnten ermöglicht es den Kindern, ihre sozialen Kompetenzen und Teamfähigkeit weiterzuentwickeln.

Welche Anzeichen deuten auf Unterforderung oder auf ein nicht-förderliches Umfeld hin?

Wie alle Kinder wollen auch begabte und hochbegabte Kinder zeigen, was sie können und ihre Talente entfalten. Sie verspüren oft den Drang nach intellektuellen Herausforderungen. Sie langweilen sich schnell bei einfachen Aufgaben, besonders bei Hausaufgaben, die nur reine Wiederholungen sind. Wenn sie über einen längeren Zeitraum stark unterfordert sind, verweigern sie die Mitarbeit im Unterricht oder komplett den Schulbesuch.

Das führt mitunter zu aufmüpfigem Verhalten im Klassenzimmer (oder sogar schon im Kindergarten). Auf diese (kindliche) Art teilen sie mit, dass ihre angeborenen Bedürfnisse nicht gestillt werden und sie Hilfe und Unterstützung seitens der Erwachsenen benötigen.

Folgende Anzeichen deuten auf Unterforderung bzw. auf ein nicht förderliches Umfeld im Allgemeinen hin:


* Störung des Unterrichts: mittels Zwischenrufen, Zappeln, hyperaktivem Verhalten, Tratschen oder Auseinandersetzungen mit KlassenkollegInnen, Schwierigkeiten sich zu Konzentrieren
* Verweigerung von Schulaufgaben und/oder Hausaufgaben: vor allem auch von Schulstoff, den sie bereits seit Jahren kennen und können.
* Schulangst: dies inkludiert Angst vor Mobbing, vor sozialen Konflikten, vor schlechten Erfahrungen in der Schule oder Angst vor Versagen.
* Aggressives oder rebellisches Verhalten bzw. oppositionelles Verhalten: den Lehrkräften oder anderen Autoritäten gegenüber
* Psychosomatische Beschwerden: Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Übelkeit oder Erbrechen, Muskelschmerzen (Verspannungen im Schulter – und Nackenbereich),
* Schlafstörungen: wie Schwierigkeiten einzuschlafen oder durchzuschlafen, nächtliche Albträume, die sich auf schulische Themen beziehen.

Das Wissen um Hochbegabung ist immer noch nicht Teil der Ausbildung von ErzieherInnen und Lehrkräften. Leider führt dies oft zu Verwechslung mit Störungsbildern wie ADHS oder Autismus verwechselt. Ein Nicht-Erkennen von hoher oder Hochbegabung führt vielfach auf einen Leidensweg, der vermeidbar wäre.

Hilfreiche Links:

Deutsche Gesellschaft für das hochbegabte Kind e.V.

KARG-Stiftung: Förderung des hochbegabten Kindes in Kita, Schule und Beratung

Österreichisches Zentrum für Begabtenförderung und Begabungsforschung (ÖZBF)

Fach-Qualifikation zu Hochsensibilität & Hochbegabung